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Nachruf auf den Staufener Missbrauchsskandal

Der Staufener Missbrauchsfall hat bisher vor allem Veranlassung gegeben, Fehler bei den beteiligten Gerichten, Jugendämtern und bei der Polizei zu analysieren und darüber nachzudenken, wie dort Fehler abgestellt und für die Zukunft eine Wiederholung vermieden werden können. Im September 2018 haben die beteiligten Behörden den Abschlussbericht vorgelegt (www.olg-karlsruhe.de unter „Medien“ und „Pressemitteilungen“). Professor Dr. Heilmann hat in seinem Beitrag „Die Aufarbeitung des Missbrauchsfalles von Staufen“ im Dezember 2018 den Verlauf detailliert dargestellt und Überlegungen zum Umgang mit Fehlern seitens der Behörden und Gerichte angestellt. (FamRZ 2018, 1797 – 1803)

Erstaunlicher Weise wird nirgends die Rolle der Anwaltschaft in Kinderschutzverfahren thematisiert und beleuchtet, obwohl es ein Anwalt war, der für die Mutter Beschwerde gegen die Entscheidung des Familiengerichts Freiburg zum OLG Karlsruhe eingelegt und diese im Beschwerdeverfahren vertreten hat.

Der Staufener Missbrauchsfall sollte der Anwaltschaft Veranlassung geben, über Ihre Rolle in streitigen Sorge- und Umgangs- sowie Kinderschutzverfahren nachzudenken und diese kritisch zu hinterfragen. Noch zu oft versteht sich die Anwaltschaft, wenn sie von den Eltern mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut wird, als klassischer „Parteivertreter“ und sieht ihre Aufgabe allein darin, die Interessen der Eltern zur Geltung zu bringen und durchzusetzen, ohne hinreichende Berücksichtigung des Kindeswohls. Dabei hat gerade die Anwaltschaft die Möglichkeit, die Eltern für die Belange ihrer Kinder in der Beratung zu sensibilisieren. Immer wieder stellt man in der Praxis fest, dass den Eltern gar nicht bewusst ist, was streitige Umgangs- und Sorgerechtsverfahren für die Kinder bedeuten. Wenn man in den Beratungsgesprächen darauf hinweist, dass die minderjährigen Kinder vom Gericht angehört werden müssen, dass regelmäßig ein Verfahrenspfleger bestellt wird und gegebenenfalls noch ein Sachverständigengutachten zu erheben ist und für die Kinder damit erhebliche Belastungen verbundenen sind, sind die Eltern regelmäßig einsichtig und kommen in der Mehrzahl der Fälle davon ab, streitige gerichtliche Verfahren einzuleiten.

In der Aus- und Fortbildung müssen die im Familienrecht tätigen Anwältinnen und Anwälte dringend sensibilisiert werden. Wäre im Staufener Missbrauchsfall die Mutter unter Hinweis auf das Wohl ihres Kindes vom Anwalt kritisch und orientiert am Kindeswohl begleitet worden, hätte zumindest das Beschwerdeverfahren und damit eine zusätzliche Lockerung der Auflagen verhindert werden können.

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